1973 - Palast der Republik
  • Für viele Menschen im Westen Deutschlands ist der Palast der Republik in Ost-Berlin der Inbegriff von sozialistischem Protz. Für viele Menschen in der ehemaligen DDR ist er ein Stück Heimat. Und für uns als Museum: Eine Fundgrube an Ausstellungsstücken!

    Rosenplänter: DDR-Architekt Heinz Graffunder kannte sich aus mit großen Tieren. Er hat die Raubtieranlage für Löwen und Tiger im Ost-Berliner Tierpark Friedrichsfelde entworfen und gebaut. Ob ihm das seinen nächsten Job eingebracht hat, wissen wir nicht, aber danach bekam er ein deutlich größeres Bauprojekt: Er durfte als Chefarchitekt den Palast der Republik in Berlin mit entwerfen und bauen. Der Palast der Republik war für viele Menschen in Westdeutschland der Inbegriff von sozialistischem Protz. Für viele Ostdeutsche war es ein Stück Heimat. Und für uns als Museum: Eine Fundgrube an wunderbaren Ausstellungsstücken! Und damit herzlich willkommen zu Zeitgeschichte(n), der Museumspodcast! Alle Objekte, die in Berlin in unsere Sammlung aufgenommen werden, gehen über den Schreibtisch von Thorsten Krause. Er ist sozusagen der Anwalt unseres Berliner Sammlungsbestands. Er kümmert sich darum, dass die Objekte gut dokumentiert und gelagert werden. Darunter eben auch sehr viele Objekte aus dem Palast der Republik.

    Krause: Also, es ist vom Geschirr über Werbemittel, also in Form von Wimpeln oder bis hin zum Palast Puzzle. Wir haben Dia-Serien vom Palast, Fotos von außen und von innen, aber auch von den diversen Veranstaltungen, die dort stattgefunden haben. Wir haben das Staatsemblem von der Außenfassade des Palastes, ist auch bei uns im Bestand, das Staatsemblem aus der Volkskammer, die ja auch im Palast sozusagen verortet war. Dann haben wir ein Modell der Volkskammer. Dann haben wir eine Wahlurne aus dem Inventar der Volkskammer, die gegenwärtig ja im Humboldtforum als Leihgabe präsentiert wird. Dann das sogenannte Stabwerkleuchtensystem, ein Wegeleitsystem, aber auch relativ profane Sachen wie Teppichreste von der Auslegeware, aber auch Lichtpläne. Wir haben Schutzanzüge von den Sanierungsarbeiten, die damals erfolgt sind, nachdem der Palast geschlossen wurde. Also sehr, sehr viel.

    Rosenplänter: Und daran ist schon ganz klar zu erkennen: Der Palast wurde vorrangig gar nicht als politische Wirkungsstätte genutzt, sondern sollte vor allem ein Haus des Volkes werden.

    Krause: Erich Honecker war bei der Grundsteinlegung des Gebäudes dabei, und da zitiere ich ihn. Und zwar sagte er, dass „die Volkskammer dort verantwortungsbewusst tagen wird“. Das ist das eine und das gleichzeitig – Zitat – „unsere Kultur in diesem Haus eine Heimstatt finden wird, ebenso wie Frohsinn und Geselligkeit der werktätigen Menschen.“ Man muss dazu sagen etwas salopp gesagt: Anfang der 70er Jahre lief es für die DDR eigentlich ganz gut, und zwar die Beziehungen zur Bundesrepublik wurden auf eine neue vertragliche Basis gestellt, die DDR wurde völkerrechtlich anerkannt. Und in diesem Zusammenhang passt sozusagen eine Heimstatt für das Volk mit einem, ja, modern wirkenden Architektur Gewand sehr, sehr gut ins Bild. Auch wenn es die Herrschaft des Volkes tatsächlich nur vortäuschte.

    Rosenplänter: Die Entscheidung, dass die DDR eine „Heimstatt für das Volk“ in ihrer Hauptstadt braucht, fiel am 27. März 1973. Da beschloss das Politbüro der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, dass eben jener Palast der Republik am Marx-Engels-Platz mit seinen verschiedenen Nutzungsbereichen gebaut werden sollte.

    Krause: An dem Platz, wo damals der Palast stand, stand bis 1950 das Berliner Stadtschloss, welches ab 1871die Residenz der deutschen Kaiser war. Und dann, circa 80 Jahre später, wurde dann dieses Stadtschloss auf Beschluss der SED gesprengt und damit war architektonisch gesehen die Mitte Berlins, zwar nicht komplett leergefegt, aber nicht mehr ausreichend repräsentativ. Sprich, man musste diese Leere irgendwie füllen und da würde ich gerne mal kurz einen mitverantwortlichen Architekten zitieren vom Palast, der damals gesagt hat, ich zitiere: „Wenn Sie damals im Winter vom Alexanderplatz zum Alten Linden Korso liefen, das war wie ein Marsch durch die Arktis, eine Brache. Aber was für eine – weit, kalt, unwirtlich! Man war froh, wenn man drüber hinweg war.“

    Rosenplänter: Also perfekt, um einen prunkvollen Palast hinzubauen. Nach dem Beschluss ging es dann auch ziemlich schnell. Die verantwortlichen Männer waren der eben schon genannte Heinz Graffunder, einer der bekanntesten Architekten der DDR. Und die Gesamtleitung hatte Erhardt Gißke.

    Krause: Die Grundsteinlegung war dann im November 1973. Erich Honecker war dabei. Richtfest war dann im November 74 und nach 32 Monaten Bauzeit wurde der Palast dann im April 1976 dann auch tatsächlich eröffnet.

    Rosenplänter: Der Prachtbau bestand aus zwei massiven Außenblöcken und einem Mittelstück – von der Fläche her fast so groß wie der Petersdom in Rom. Die 180 Meter lange Fassade war aus weißem Marmor, bronzefarbenen Aluminiumsprossen und reflektierenden Scheiben. Über die komplette Länge erstreckte sich der Schaubalkon, von dem aus die SED-Führung Aufmärsche und Militärparaden beobachten konnte. Über dem Eingang prangte das Staatswappen: Hammer, Sichel und Ährenkranz mit fast 46 Metern Durchmesser. Auch drinnen ging es groß weiter: Das Foyer war zweistöckig, mehr als 80 Meter lang. An den Wänden großformatige Gemälde und an den Decken tausende Lampen. Herzstück des Kulturpalastes war der sogenannte große Saal.

    Krause: Das war dann der Veranstaltungsraum für wirklich große Kulturveranstaltungen. Vielleicht dazu ein paar Maßangaben. Der Grundriss war eine war ein symmetrisches Sechseck mit 67 Metern Breite und 18 Metern Höhe. Und das Besondere war wirklich eine äußerst variable und moderne Einrichtung und Bestuhlung, also man konnte diesen Raum sozusagen variieren in seiner Ausstattung. Und dazu auch nochmal eine Zahl, also die Variation war, man konnte zwischen 1000 und über 4500 Plätzen diesen Raum gestalten, was auch der Funktion geschuldet war, dass dort die Parteitage der SED stattgefunden haben.

    Rosenplänter: Aber auch für Aufzeichnungen der DDR-Fernsehunterhaltung wurde der Saal genutzt.

    Krause: „Ein Kessel Buntes“ wurde dort aufgezeichnet, aber auch internationale Künstler gaben sich dort wirklich die Klinke in die Hand. Carlos Santana kennt man, Udo Lindenberg sowieso, Mikis Theodorakis, Karel Gott, Mireille Mathieu, aber auch solche Veranstaltungen, die von der DDR veranstaltet wurden: der Rock für den Frieden mit den Puhdys, Karat, City, Silly, usw., also das war wirklich dann dort vertreten.

    Rosenplänter: Daneben gab es im Palast gut ein Dutzend Restaurants, Bars und Cafés.

    Krause: Es gab eine Milchbar, eine Espresso- und Mokka-Bar, das Palast-Restaurant, das Spree-Restaurant, es gab eine Bierstube, es gab den Jugendtreff mit Diskothek und das Spree-Bowling. Ich glaube, daran erinnern sich dann einige. Zu guter Letzt gab es das Theater im Palast, wo man dann auch eher so klassische Theaterstücke oder Kammer- und Gitarrenkonzerte erleben konnte. Und, das war auch noch mal wichtig, weil die Foyer-Bereiche wirklich großzügig architektonisch gestaltet waren, gab es dort Veranstaltungen für Familien, also der Tag der Familie, Tag der Solidarität zum Beispiel.

    Rosenplänter: Und über allem schwebten tausende Glaskugeln, die dem Palast der Republik seinen Spitznamen verpassten: Erichs Lampenladen.

    Krause: Also die Geschichte will es so, das ist jetzt nicht hundertprozentig belegt, aber ich habe mich noch mal umgehorcht, und zwar: nachdem der Beschluss klar war, dass dieser Palast gebaut wird, war dann der ausführende Architekt - das war Herr Graffunder - und der hat sich dann mit Herrn Kelm - Herr Kelm war der damalige Leiter des Amtes für industrielle Formgestaltung – getroffen. Und die beiden, so sagt man, haben dann zunächst eine Idee, ich glaube, heute würde man sagen, gescribbelt, eine Idee entworfen. Das sind dann mehrere Leuchten, die wie so eine Art Blumenstrauß sich dann in Form von Kugeln zusammenfinden. Und diese grobe Ideenskizze hat dann Peter Rockell, der Formgestalter mit seinem Team, was primär Ingenieure waren, die haben dann diese Idee tatsächlich auch ausgefeilt und führten dann diese ganzen Lampen oder wie das Ganze funktionieren sollte, dann wirklich zur Produktionsreife. Das Ganze nannte sich dann das Stabwerkleuchtensystem. Und wirklich produziert wurden dann die Lampen vom VfB Narwa „Rosa Luxemburg"-Leuchtenbau Leipzig.

    Rosenplänter: Aber nicht nur die Lampen waren im Palast der Republik kugelförmig – auch die Lautsprecher.

    Krause: 1973 gestalteten Klaus Dietel und Lutz Rudolph, also auch Formgestalter aus der DDR, die sogenannten Kugellautsprecher, K20. Und die sind tatsächlich - so ist unsere Vermutung, oder zumindest kann man das auf historischen Fotos sehen, auch mit verbaut worden. Natürlich die gleiche Form, die Form der Kugel. Sie fügten sich also wunderbar ins Gesamtbild dieser ganzen Konstruktion ein. Und unsere Vermutung ist, sie dienten zumindest als Durchsagen, wenn Veranstaltungen waren oder ähnliches.

    Rosenplänter: Wir haben einige dieser Lampen bei uns in der Sammlung. Und noch immer nehmen sie eine Sonderstellung ein: Als sie bei uns ankamen, waren sie nicht funktionstüchtig – aber das hat sich teilweise geändert. 
    Krause: Bei uns im Haus ist es eine Art restauratorische Philosophie eher konservieren statt restaurieren. In dem Fall haben wir uns aber dazu entschieden, zumindest einen Teil dieses Stabwerkleuchtensystems wieder zu ertüchtigen, sprich, dass es leuchten kann. Und wir wollten einfach diese Lichtwirkung noch einmal wieder hervorrufen. Wir haben uns dann mit einem Elektriker zusammengesetzt, der darauf sich darauf spezialisiert hat. Und wir haben dann über historische Fotos versucht, diese Lichtwärme einzufangen. Und das Ganze war dann noch mal ein etwas ingenieurtechnischer Aufwand, aber unterm Strich haben wir jetzt im Bestand Sachen, die wir im Original belassen haben, die sind nicht elektrifiziert und andere, ja, die wir wieder zum Leuchten gebracht haben.

    Rosenplänter: Neben den ganzen Flächen für Unterhaltung gab es im Palast der Republik noch den Bereich, in dem Politik gemacht wurde. Der „Kleine Saal“, in dem die Volkskammer tagte. Allerdings nur zwei bis dreimal pro Jahr.

    Krause: Also, Die Volkskammer war nominell das höchste Verfassungsorgan des Staates. In der Volkskammer waren auch unterschiedliche Fraktionen vertreten, also nicht nur die bekannteste Fraktion bzw. Partei, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die SED-Fraktion war dort in der Volkskammer. Es gab eine Fraktion der CDU, eine Fraktion des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Freien Deutschen Jugend. Nur die Volkskammer war tatsächlich politisch ohne tatsächlichen Einfluss, also sie hatte dahingehend kaum etwas zu sagen. Und spätestens seit 1968 war in der Verfassung der DDR der Führungsanspruch der SED auch sozusagen offiziell verankert. Und somit bestimmte die SED wirklich das tatsächliche politische Geschehen der DDR. Die Volkskammer war kein Parlament, sie war ein Schein-Parlament.

    Rosenplänter: Erst mit der friedlichen Revolution ändert sich das. Die Wahl zur Volkskammer im März 1990 ist der erste Urnengang unter demokratischen Bedingungen. Allerdings auch der Letzte. Im August 1990 stimmen die gewählten Volksvertreter im Palast der Republik für den Beitritt zur Bundesrepublik. Und am 3. Oktober 1990 ist Deutschland wiedervereinigt und die Teilung Geschichte. Kurz davor, im September 1990, wurde auf Anordnung der Bezirkshygiene-Inspektion Berlin und auf Beschluss des Ministerrats der DDR der Palast der Republik geschlossen.

    Krause: Der Palast war eines der am stärksten mit Asbest verseuchten Gebäude in Europa und die Ursache für diese Kontaminierung, muss man es ja nennen, waren damals notwendige Feuerschutzmaßnahmen.

    Rosenplänter: Denn: Asbest wurde früher als Wunderfaser bezeichnet, weil es sehr hitzebeständig ist. Allerdings gibt es einen eindeutigen Nachteil: Es ist extrem gesundheitsschädlich. Wird Asbest-Staub eingeatmet, kann das zu Lungenkrebs und anderen, oft tödlichen Krankheiten führen.

    Krause: Dann erfolgte eine Asbest-Sanierung von 1998 bis circa 2003 und den tatsächlichen Abriss, den hat dann der Deutsche Bundestag im Jahr 2003 beschlossen. Der sich dann aber etwas verschob, der dann aber im Jahr 2008 dann tatsächlich und endgültig abgeschlossen war.

    Rosenplänter: Und dann kommt: Das Neue Alte.

    Krause: Im Juli 2002 gab es ebenso vom Deutschen Bundestag einen Beschluss, nämlich zur Errichtung des Humboldt-Forums im neu zu errichtenden Berliner Schloss. Und diese Entscheidung wurde im Parlament wirklich heftig diskutiert. Und zwar, es gab eine Gruppe, die wollten die alte Barock-Fassade des Schlosses wieder zurück. Andere wollten moderner Architektur eine Chance geben und in jedem Fall war, nach dieser doch wirklich sehr engagiert geführten Plenardebatte, das Votum: Mit deutlicher Mehrheit hat sich das Parlament für den Aufbau des Humboldt-Forums in der rekonstruierten Außenfassade des ehemaligen Schlosses entschieden, so heißt es dann dort.

    Rosenplänter: So ganz verschwunden von der Welt ist der Palast der Republik aber nicht: Teile von ihm existieren weiter.

    Krause: Zum Beispiel Granitplatten aus dem Palast der Republik sind jetzt Skaterpark am Tempelhofer Feld und der rückgebaute Stahl ist, glaube ich, unter anderem verwendet worden in Dubai für diesen kolossalen, 800 Meter riesigen Superlative-Turm. Also insofern lebt der Palast weiter und ist, glaube ich, nie richtig tot gewesen.

    Rosenplänter: Und natürlich gibt es auch bei uns was aus dem Palast der Republik zu sehen: Im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig hängen Teile des Stabwerkleuchtensystems – also dieser ikonischen, runden Lampen. Kommt gerne vorbei und schaut sie Euch an. Wenn Euch diese Podcast-Folge gefallen hat, würde es uns freuen, wenn Ihr uns weiterempfehlt. Freunde, Familie, Arbeitskollegen – könnt Ihr allen gerne davon erzählen. Und wenn Ihr mehr hören wollt, abonniert doch unseren Kanal – falls Ihr das nicht eh schon gemacht habt. Dann bekommt Ihr sofort mitgeteilt, wenn‘s was Neues von Zeitgeschichten – Der Museumspodcast gibt. Bis dahin, Euch ne gute Zeit!


    Meike Rosenplänter, Moderation
    Thorsten Krause, Objektdisponent