1969 - Ein Stück vom Mond
  • Wer schafft es zuerst auf den Mond? Darum wetteifern in den 1960er Jahren die USA und die Sowjetunion. Letztendlich entscheiden die Amerikaner das Rennen für sich: Am 21. Juli 1969 betreten Neil Armstrong und Edwin Aldrin den Erdtrabanten. Eine der folgenden Mondmissionen bringt das älteste Objekt der Dauerausstellung mit, ein 285 Gramm schweres Stück vom Mond.

    Rosenplänter: Willkommen bei einer neuen Zeitgeschichte. Ich bin Meike Rosenplänter und wir sprechen heute über eines meiner Lieblingsobjekte im Haus der Geschichte in Bonn, nämlich über das Mondgestein. Klingt irgendwie mächtig, ist in Wirklichkeit aber nur ein ziemlich kleines Steinchen, aber ich finde es einfach immer wieder beeindruckend, wenn man bedenkt, woher dieser Kiesel eigentlich kommt. Im Museum ist er auch dem Himmel ganz nah, es gibt so eine steile Ebene, die man hoch muss und dann ist man am höchsten Punkt im Museum und da ist der Stein vom Mond zu sehen, gut geschützt in einem schweren Kasten aus Glas und der Stein an sich, der ist relativ unscheinbar, so grau schwarz, ein bisschen porös, ähnlich wie Lava-Gestein. Aber die Geschichte dahinter, die ist einfach faszinierend und die erzählt uns jetzt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Tuya Roth. Hallo Frau Roth.

    Roth: Hallo.

    Rosenplänter: Das ist doch sicher eines der ältesten Objekte in der Dauerausstellung, oder?

    Roth: Ja richtig, also das würde ich auf jeden Fall sagen. Mit 3,3 Milliarden Jahren ist das auf jeden Fall das älteste Objekt in unserer Ausstellung, allerdings ist er erst 1969, im November 1969 auf die Erde gekommen und eben seit Anfang, seit 1994 mit Eröffnungsjahr unseres Hauses auch im Haus.

    Rosenplänter: Gehört dieses Stück denn dem Museum? Kann man ein Stück Mond einfach so kaufen?

    Roth: Ja, ich glaube, das wäre schön. Ich glaube, viele hätten daran Interesse, ein Stück Mond zu kaufen. Nein, also auch wir konnten dieses Stück Mond nicht kaufen, sondern das ist nur als Leihgabe bei uns im Haus. Eine Leihgabe der NASA, über die wir uns sehr, sehr freuen. Das ist etwas ganz Besonderes, die im Haus zu haben. Und besonders ist auch der Versicherungswert unseres Mondgesteins, der hat gar keine Zahl, der ist unbeziffert, sondern da steht einfach im Leihvertrag, unersetzlich. So ein Mondgesteinstück, das kann man nicht beziffern.

    Rosenplänter: Das heißt aber auch, damit darf nichts passieren?

    Roth: Nein, auf gar keinen Fall. Und deswegen haben wir das auch ganz besonders gesichert.
    Das ist in einem eigenen Tresor angeliefert und ist auch in diesem Tresor in der Ausstellung gesichert. Da gibt es dann noch mal eine ummantelnde Vitrine, die auch ganz besonders gesichert ist, eine besondere Sicherheitsvitrine. Es gibt Videoüberwachung in dem Bereich. Also das ist auch ein Stück, das sehr gut bewacht ist in unserer Ausstellung.

    Rosenplänter: Okay, gehen wir noch mal zwei Schritte zurück. Es muss ja auch irgendwann mal losgegangen sein mit dieser Faszination für die Raumfahrt. Wie war das?

    Roth: Also die Raumfahrtbegeisterung gibt es schon sehr lange. Die hat angefangen um 1900. Richtig Fahrt aufgenommen hat sie in den 1920er Jahren mit einem Buch von Hermann Obert. Das hieß Die Raketen zu den Planeten räumen. Und das löste in Deutschland die erste Raumfahrtbegeisterung aus. Es gab dann noch einen berühmten Film von Fritz Lang, Die Frau im Mond, bzw. auch Die Frau im Mond, nicht Der Mann im Mond. Und daraus entwickelten sich also auch Vereine, die sich mit Raumfahrt beschäftigt haben. Und damals betrat eben ein anderer wichtiger Mann der Raumfahrt auch schon die Bühne, nämlich Werner von Braun. Es wurde in Berlin einen Raketenstartplatz gebaut. Und da hat Werner von Braun seine ersten kleinen Raketenstarts gemacht als Schüler von Obert und hat sozusagen ist damit mit dem dort eben mit dem Raumfahrtvirus infiziert worden.

    Rosenplänter: Und Werner von Braun ist ja dann später auch in die USA gegangen.

    Roth: Richtig. Werner von Braun hat dann erst in Deutschland das Raketenprogramm, das militärische Raketenprogramm vorangetrieben, noch während des Krieges und hat da ja auch eine sehr zweifelhafte Rolle gespielt und ist dann nach dem Krieg direkt von den Amerikanern nach Amerika mitgenommen worden, zusammen mit allen Bauteilen, die noch verfügbar waren, der V2 und mit einem großen Mitarbeiterstamm. Das ist auch wichtig zu sagen. Also es ist nicht nur immer Werner von Braun, sondern hinter Werner von Braun stand ein sehr großes Ingenieursteam, das ihn da in allen Dingen unterstützt hat.

    Rosenplänter: Haben die Sowjets das auch gemacht? Haben die auch deutsche Ingenieure abgegriffen, um damit ihr Raumfahrtprogramm aufzubauen?

    Roth: Ja, richtig. Also nach dem Krieg haben auch die Russen sehr viele deutsche Ingenieure, auch gerade Raketeningenieure, mit nach Russland genommen. Und während des Krieges gab es eben große militärische Interessen am Raketenbau und die hat man dann nach dem Krieg wieder aufgenommen. Und beide Nationen haben, also Russland und Amerika, haben ihr Raketenprogramm wieder aufgenommen und mit großem Interesse vorangetrieben und auch eben mit den deutschen Wissenschaftlern und deren Wissen um die V2.

    Rosenplänter: Und dann kam ja der Kalte Krieg und damit so dieser Wettbewerb zwischen der Sowjetunion und den USA vor allem eben. Und damit auch dieser Wettlauf, wer ist als Erster im All?

    Roth: Genau, richtig. Also da hat sich dann eben im Rahmen des Kalten Krieges dieser Wettlauf ins All entwickelt, genau, der vor allem politisch, militärisch gesteuert war. Die Grundidee dahinter war die Vorstellung, dass man gesagt hat, wer den Weltraum beherrscht, der beherrscht auch die Erde. Also wer in der Lage ist, eine Rakete, einen Satelliten, Menschen ins All zu bringen, der hat auch die Macht, andere Staaten hier anzugreifen. Also es ging da um, Interkontinentalraketen, die man bei den ersten Raketenstarts genutzt hat, um ins Weltall zu kommen. Und die Interkontinentalraketen, das war klar, die hätten dann auch die Kraft gehabt, die Erde zu umrunden und eben entweder in Amerika oder andersrum in Russland aufzuschlagen.

    Rosenplänter: Wer hatte da zu Beginn die Nase vorn?

    Roth: Ja, also lange sah es so aus, als wären da die Russen ganz weit vorne. Die haben ihr Weltraumprogramm mit großer Intensität betrieben, hatten da auch sehr gute Leute und haben ja dann 1957 den Sputnik-Schock ausgelöst, als sie den ersten Satelliten in die Erdumlaufbahn geschossen haben und der sogar eben auch Signale gefunkt hat, die auch bei den Amerikanern angekommen sind. Und das hat in Amerika also wirklich ganz schlimme Ängste ausgelöst und ja, daraufhin hat dann Kennedy gesagt, wir müssen was tun, wir müssen auf jeden Fall diesen Wettlauf gewinnen und hat dann 1961 das Apollo-Programm ins Leben gerufen.

    Rosenplänter: Was war das?

    Roth: Das Apollo-Programm war ein spezielles Programm, dessen Ziel es war, einen Menschen zum Mond zu bringen und auch wieder sicher zurück. Die Russen hatten immer noch die Nase vorn, also die Amerikaner standen unter großem Druck, weil sie eben nicht nur Sputnik ins All geschossen hatten, sondern dann eben in kurzer Folge auch eben Erdumrundungen gemacht hatten mit Menschen an Bord. Gargarin ist dann ein wichtiger Name, den man nennen muss. Und es sah so aus, dass die Russen eben diesen Wettlauf zum Mond gewinnen würden. Und da mussten die Amerikaner aus ihrer Sicht Gas geben und haben dann alle Kräfte gesammelt, um dieses Apollo-Programm voranzutreiben. Und da spielte dann eben auch wieder Werner von Braun eine entscheidende Rolle, weil er die Trägerrakete gebaut hat, die dann die Mondfähre ins All gebracht hat.

    Rosenplänter: Weil dann haben es die Amerikaner tatsächlich geschafft und haben einen Menschen auf den Mond gebracht.

    Roth: Richtig. 1969 war es geschafft, zur großen Überraschung, ich habe da viele Bücher drüber gelesen. Das waren sehr schwierige Zeiten und das sah wirklich lange nicht so aus, als würden die, könnten die Amerikaner diesen Wettlauf gewinnen. Die hatten unglaubliche Rückschläge auch. Und 1969 hat es geklappt. Am 20. Juli hat eben der US-Astronaut Neil Armstrong als erster den Mond betreten und hat ja dann auch seinen berühmten Spruch, den wir alle kennen, ein kleiner Schritt für einen Menschen und ein großer eben für die Menschheit losgelassen. Also auch ein wohl inszenierter erster Schritt auf den Mond. Und damit war klar, ja, die Amerikaner haben diesen Wettlauf gewonnen.

    Rosenplänter: Und dann folgten ja noch relativ viele weitere Missionen, die dann eben auch Forschungen betrieben haben da oben.

    Roth: Genau. Also das war natürlich auch das erklärte Ziel, also einmal die militärische Überlegenheit zu zeigen auf der Erde. Aber es ging natürlich auch immer um Forschung. Also beim Mondgestein, also es wurden dann in den nächsten Missionen, die hochgeschickt wurden, wurde sehr viel Mondgestein mit auf die Erde gebracht. Und das sollte hier auf der Erde in erster Linie dazu dienen, eben die Entstehung des Alls zu erforschen und damit eben auch Rückschlüsse auf die Entstehung der Erde zu bekommen. Also das Ziel gab es natürlich auch immer bei allen Missionen.

    Rosenplänter: Wie viel Mond wurde mit zur Erde gebracht?

    Roth: Insgesamt 383 Kilogramm. Das klingt jetzt erstmal nicht viel, aber wenn man bedenkt, welche Strecke dieses Mondgestein zurückgelegt hat, dann ist das doch ziemlich viel. Der wurde von ganz unterschiedlichen Stellen am Mond eingesammelt, ausschließlich von der NASA, von denen wir eben jetzt auch unser Mondgestein haben. Und die größeren Gesteinsbrocken, die wurden zerschlagen. Und eben dieses kleine Stück, dieses rund 2,3 Zentimeter große Stück, eins davon, das haben wir eben in der Ausstellung. Ein Glück.

    Rosenplänter: Ist denn unser Mondgestein auch von dieser ersten Mission, von diesem ersten Flug zum Mond?

    Roth: Nee. Also das wäre schön, das würde es, glaube ich, noch besonderer machen. Nein, unser Stück ist von einer späteren Mission im November 1969. Man hat, wie ich gesagt habe, eben dann innerhalb kürzester Zeit sehr viele Missionen zum Mond unternommen und dann eben dieses Mondgestein eingesammelt. Allerdings ebbte die Begeisterung, eben nachdem klar war, die Amerikaner haben den Wettlauf gewonnen, ebbte diese Raumfahrtbegeisterung auch ziemlich schnell ab und die Kosten explodierten. Und daraufhin wurde das Mondprogramm 1972 eingestellt und tatsächlich hat seit 1972 kein Mensch mehr den Mond betreten.

    Rosenplänter: Wer war denn dann eigentlich der erste Deutsche im All?

    Roth: Der erste Deutsche im All war ein DDR-Kosmonaut. Sein Name ist Sigmund Jähn. Er ist 1978 mit einer russischen Sojus-Kapsel ins Weltall gestartet. Und seinen Raumanzug, den zeigen wir auch hier in unserer Dauerausstellung. Wenn man also das Mondgestein sich anguckt, unsere Mondrampe erklimmt, dann kommt man auch am Raumanzug von Sigmund Jähn vorbei.

    Rosenplänter: Heute gibt es die ISS, die internationale Raumstation. Da sind ja auch immer mal wieder Deutsche an Bord. Gibt es denn aber auch wieder Pläne, auf den Mond zu fliegen?

    Roth: Ja, es gibt aktuell ganz viele Pläne, wieder auf den Mond zu fliegen. Also die Raumfahrtbegeisterung nimmt wieder an Fahrt auf. Ich glaube, da kann man zwei Dinge unterscheiden. Einmal ist es diese allgemeine Begeisterung fürs Weltall und für neue Lebensräume im Weltall. Also die Idee, dass wenn wir mal nicht mehr auf der Erde leben können, weil wir sie endgültig zerstört haben oder der Klimawandel Leben auf der Erde unmöglich gemacht hat, dass man dann bis dahin alternative Lebensräume im All erschlossen hat. Und die andere Idee ist natürlich immer noch die der Forschung. Und deswegen gibt es jetzt gerade wieder viele nationale Interessen, den Mond wieder, ich sage jetzt mal, zurückzuerobern, also wieder auf dem Mond zu landen. Es gibt da auch internationale Zusammenschlüsse. Ich glaube, die ISS ist dann ein wichtiger Vorläufer, wo man das auch testet. Aber das Ziel ist nach wie vor eine bemannte Forschungsstation auf dem Mond, die dann international besetzt werden soll. Weil das ist das, was ich auch eingangs gesagt habe. Inzwischen ist, glaube ich, auch klar, der Mond kann niemandem gehören, auch kein Stückchen vom Mond. Und insofern ist klar, dass das nur in einem internationalen Zusammenschluss funktionieren wird.

    Rosenplänter: Und der Mars ist ja jetzt auch in, sagen wir mal, greifbare Nähe gerückt. Vielleicht haben wir ja dann demnächst ein Stückchen Mars bei uns in der Ausstellung.

    Roth: Ja, also da bin ich sehr, sehr skeptisch, was das angeht. Ja, ich glaube, es ist wichtig, dass man das auch als Ziel vor Augen hat für diese Mission, dass es auch irgendwann zum Mars geht. Ob wir noch ein Stück Mars in unserer Dauerausstellung, also da möchte ich mal keine Aussage zu machen, das wäre natürlich toll. Aber der Mars ist einfach doch auch noch sehr, sehr, sehr viel weiter weg.

    Rosenplänter: Tuya Roth war das. Wir haben gesprochen über das Stück Mond, das im Haus der Geschichte zu sehen ist. Danke Ihnen dafür.

    Roth: Danke auch, gerne.

    Rosenplänter: Es gibt übrigens tatsächlich ab und an mal Stücke vom Mond zu kaufen. Zuletzt wurde Ende April ein Mondstein bei den britischen Auktionshalls Christie's angeboten. Das war in etwa so groß wie ein Fußball und ungefähr zwei Millionen Pfund wert. Also umgerechnet 2,26 Millionen Euro. Nur, falls ihr die übrig habt. Das Mondstück wurde aber nicht von einem der Astronauten mitgebracht, sondern vermutlich durch eine Kollision mit einem Asteroiden oder Kometen von der Mondoberfläche abgeschlagen und dann auf die Erde geschleudert, also genauer in die Sahara. Im nächsten Podcast geht es um unsere jüngste Geschichte und um den Beginn einer beispiellosen rechtsextremen Mordserie. Enver Simsek wurde am 9. September 2000 in Nürnberg ermordet, vom sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund, NSU. Erst vor zwei Jahren wurde eine der Verantwortlichen verurteilt, Beate Zschäpe. Wir werden uns aber vor allem auf die Opfer und deren Geschichte konzentrieren in der nächsten Zeitschichte. Bis dahin. Ciao.


    Meike Rosenplänter, Moderation
    Dr. Tuya Roth, wissenschaftliche Mitarbeiterin