1985 - C64 gegen KC85
  • Digitale Spiele gehören zu unserem Alltag. Als es damit losgeht, werden sie im Westen vor allem auf dem C64 gespielt. In der DDR wird dafür 1985 der Kleincomputer entwickelt. "Pong" gilt als einer der Urväter der Videospiele, in der DDR heißt es "Bildschirmspiel 01". Heute sind Donkey Kong, Tetris und Super Mario Kultspiele.

    Rosenplänter: Könnt Ihr Euch da dran noch erinnern? [Musik von Donkey Kong] Oder an diesen Sound hier? [Musik von Tetris] Falls nicht: Keine Sorge, wir kommen noch darauf zurück. Aber erstmal: Herzlich willkommen zu dieser Folge Zeitgeschichte(n), mein Name ist Meike Rosenplänter.

    Roboter: Hallo, ich bin ein NAO, ein humanoider Roboter.

    Rosenplänter: Ja, auch auf Dich kommen wir später noch zu sprechen, Nao. Und ja, Ihr hört tatsächlich den Museumspodcast der Stiftung Haus der Geschichte – auch wenn es diesmal um Computerspiele geht. Die haben nämlich spannenderweise einiges mit der deutschen Geschichte zu tun. Judith Kruse ist eine unserer Wissenschaftlerinnen. Sie hat unter anderem an der Wechselausstellung „Deutschland Digital“ mitgearbeitet und hat sich dafür besonders mit Computerspielen beschäftigt.

    Kruse: Als Museum für Zeitgeschichte interessieren wir uns oder beschäftigen uns mit Politik und Wirtschaftsgeschichte, aber auch Kultur- und Alltagsgeschichte und digitale Technologien sind in unserem Alltag ja omnipräsent. Digitale Spiele sind fester Bestandteil unseres Alltags und auch als Kulturgut anerkannt. Daher ist es nur folgerichtig, dass wir uns auch mit der Geschichte und der Entwicklung und wie sich unser Alltag dadurch verändert, beschäftigen.

    Rosenplänter: Voraussetzung für die Entwicklung von Computerspielen war natürlich, dass es überhaupt erstmal einen Computer gegeben hat. Wie sich das entwickelt hat, das könnt Ihr in einer anderen Zeitgeschichte nachhören. Da geht’s ums World Wide Web und dessen Entwicklung, aber auch um Computerpioniere wie Ada Lovelace und Konrad Zuse. Wir starten also zu einer Zeit. in der es schon Computer gegeben hat, vor allem in Forschungsstationen. Und da entstand das erste Computerspiel eigentlich so eher als Nebenprodukt.

    Kruse: Der amerikanische Forscher Higginbotham hatte 1958 die Idee, als er Führungen anlässlich eines Tages der offenen Tür durch sein Nuklear-Forschungslabor vorbereitete, die ein bisschen interessanter zu machen. War auf Erläuterungen gestoßen, wie man die Flugbahn einer Rakete im Computer simulieren kann und hat sich überlegt, das ist doch ideal, wenn man da vielleicht ein Tennisspiel daraus macht. Daraus ergab sich dann Tennis For Two, was er an dem Tag der offenen Tür zu großer Freude der Besucher vorgeführt hat. Und ein Jahr später auch noch mal, aber dann geriet das Ganze in Vergessenheit. Also er hat nicht das Potenzial, dieses Spiels erkannt.

    Rosenplänter: Er nicht, aber andere.

    Kruse: So knapp 15 Jahre später, 1972, beginnt dann die große Erfolgsgeschichte von Pong. Und das gilt so, als Urvater aller Videospiele. Und damit setzte dann auch der große kommerzielle Durchbruch der Videospiele ein. Pong hat dieses Prinzip von Tennis aufgegriffen. Das sind dann einfach zwei Balken, die Tischtennis spielen. Kurz erklärt.

    Rosenplänter: Pong wurde vom Gründer von Atari entwickelt, Nolan Bushnell, einem Amerikaner. Aber dieses Spiel war so fesselnd, dass es auch weltweit ein Erfolg wird. Auch in der Bundesrepublik und auch in der DDR. Allerdings braucht es in der DDR einen anderen Namen und heißt deshalb, kurz und griffig, Bildschirmspiel 01.

    Kruse: Wie war das möglich? Nach dem großen Erfolg von Pong war eine amerikanische Firma auf die Idee gekommen, das Spiel Pong auf einem Mikrochip zu speichern. Dieser Chip konnte für sehr wenig Geld – 5 Dollar ungefähr - erstanden werden, sodass sich in den 70er Jahren sehr, sehr viele Firmen daran machten, Pong in anderen Versionen auf den Markt zu bringen. Die hießen dann natürlich anders, aber vom Spielprinzip her war das sehr gleich, weil überall dieser Chip eingebaut war. Und das machte dann auch die DDR, besorgte sich also diesen Chip und setzte eine Firma in Frankfurt Oder daran, ein eigenes Videospiel, eine eigene Videospiel-Konsole zu entwickeln. Und das war das Bildschirmspiel Nummer 1.

    Rosenplänter: Der Name war natürlich nicht ganz so prägnant wie Pong, aber englische Namen für DDR-Spiele waren tabu. Die DDR-Führung wollte mehr als ein einzelnes Spiel, sie wollte eine eigene Videospiel-Konsole, so etwas wie den Commodore C64, den es im Westen gegeben hat. Also wurde 1985 der KC85 entwickelt. KC steht für Kleincomputer.

    Kruse: Der KC85 wurde in relativ geringen Stückzahlen und auch zu sehr hohen Preisen produziert. Und das bedeutete, der Computer war eine Mangelware. Aus dem Grund ist auch der ursprüngliche Name Heimcomputer geändert worden in Kleincomputer, weil sehr schnell klar war, dass nicht so viele Stückzahlen produziert werden konnten, sodass private Haushalte flächendeckend versorgt werden konnten. Und er war relativ teuer, circa 4300 Ostmark, das ist ungefähr das Dreifache eines Monatsgehalts. Und wenn man sich dazu im Vergleich anschaut, was ein Commodore C64 kostete, dann war das schon ein enormer Unterschied. Der kam in der Bundesrepublik 1983 auf den Markt, Anfang des Jahres, und kostete da 1500 D-Mark. Das waren ungefähr so gut 50 Prozent des Monatsgehaltes.

    Rosenplänter: Und weil der Klein-Computer so teuer war und es ihn nicht so oft gegeben hat, standen die meisten in öffentlichen Einrichtungen, also in Schulen, Ferienheimen und Freizeitzentren. Um die nutzen zu können, wurden an vielen Orten in der DDR Computerclubs gegründet.

    Kruse: In diesen Computerclubs trafen sich Jugendliche, junge Erwachsene, die sich für das Thema Computer begeisterten. Es wurden Spiele gespielt, getauscht, kopiert. Sehr wichtig war aber auch der fachliche Austausch. Es wurden zum Beispiel auch Vorträge gehalten, sodass man das Wissen untereinander austauschte und beim Thema Spiele kopieren muss man vielleicht noch wissen, dass das für die Jugendlichen, die verstießen damit nicht gegen DDR-Recht, weil Software urheberrechtlich nicht geschützt war.

    Rosenplänter: Diese Clubs haben sich über die gesamte DDR verteilt gebildet. Es gab etwa 1000 dieser Computerclubs und einige davon waren verbunden mit der FDJ, der Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend“.

    Kruse: Allein in Ostberlin gab es über 20. Und ein sehr bekannter, vielleicht sogar der bekannteste Computerclub war der im Haus der jungen Talente in Ostberlin. Das Haus der jungen Talente war gleichzeitig auch das zentrale Clubhaus der FDJ, und es kamen viele von weit her angereist, um einmal in der Woche im Computerclub im Haus der jungen Talente zu sein. Was war das Besondere? In diesem Club gab es auch westliche Rechner, nämlich Commodore C64. Der Leiter des Clubs, Stefan Paubel, hatte diesen Club gegründet und war dann auf den Direktor zugegangen und hatte gesagt, ob es nicht möglich ist, den Club auch mit westlicher Computertechnik auszustatten. Er stieß auf offene Ohren, bekam 25.000 Ostmark in die Hand gedrückt und konnte damit einkaufen gehen und hat unter anderem zwei C64 Rechner, einen Drucker, Diskettenlaufwerk etc. gekauft, sodass das für die jungen computerbegeisterten Menschen natürlich eine sehr große Sache war.

    Rosenplänter: Jetzt war es aber natürlich für die Staatsführung der DDR ein Problem, dass die jungen, computerbegeisterten Menschen geprägt werden könnten durch negative westliche Einflüsse. Und man sorgte sich vor unkontrollierter Datennutzung.

    Kruse: Daher wurden inoffizielle Mitarbeiter in die Clubs geschickt und zwar von Anfang an, auch im eben genannten Computer Club, im Haus der jungen Talente. Und die Inoffiziellen Mitarbeiter, die sollten schauen, welche Spiele gespielt werden, worüber gesprochen wird, welche Kontakte bestehen, um zu schauen, ob da etwas lief, was nicht sein sollte. Es ist kein Fall bekannt, dass Spieler oder Mitglieder der Clubs, die sich mit eigentlich verbotener Software beschäftigten, Probleme mit der Stasi bekamen. Möglicherweise hat das auch daran gelegen, dass die inoffiziellen Mitarbeiter in der Regel nicht so firm waren, dass sie das alles so verstanden haben, was da so lief.

    Rosenplänter: In der DDR gern gesehen waren Geschicklichkeitsspiele oder Computerspiele, die auf Brettspielen beruhten. Verboten waren Action- und Kriegsspiele. Die Stasi hat Listen angefertigt, welche Spiele aktuell verboten waren, die wurden dann in den Computerclubs ausgehängt. Mehr als 200 Spiele standen da zeitweise drauf. Wobei einige von denen, die in der DDR auf dem Index standen, auch in der Bundesrepublik verboten waren, durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften.

    Kruse: Sie wurden trotzdem gespielt. Das hat auch einer der ehemaligen Angehörigen der ostdeutschen Computer-Szene ganz nett ausgedrückt. Die Liebe zu den Computerspielen war viel größer als die Angst, in die Fänge der Stasi zu gelangen.

    Rosenplänter: Und eigentlich wollte die DDR-Führung ja auch, dass sich möglichst viele Menschen in der DDR mit Computertechnik befassten.

    Kruse: Die SED, also die Staatsführung der DDR, erkannte großes Potenzial im Computer und hat schon 1977 die Mikroelektronik zur Schlüsseltechnologie erklärt. Es sollte also Entwicklung, Produktion und Anwendung der Mikroelektronik sehr, sehr stark beschleunigt werden. Und ab Mitte der 80er Jahre wurde die Digitalisierung sogar zum Staatsziel erklärt. Die SED erkannte das Potenzial des Computers und wollte viele junge Menschen mit dem Thema Computer vertraut machen und sah da auch in digitalen Spielen eine Möglichkeit, sie für dieses Thema zu begeistern.

    Rosenplänter: Springen wir 30 Jahre weiter, die DDR ist wiedervereinigt mit der Bundesrepublik, den Kleincomputer tragen wir mittlerweile fast alle in unserer Hosentasche mit uns rum, in Form eines Smartphones und auch darauf können wir Spiele wie Tetris [Musik von Tetris] und Donkey Kong [Musik von Donkey Kong] spielen. Ich hatte Euch versprochen, dass wir noch einmal darauf zurückkommen. Die Entwicklung geht aber mittlerweile noch weiter, hin zu humanoiden Robotern wie NAO, der sich ja auch schon zu Beginn vorgestellt hat.

    Roboter: „Ich bin ein NAO, ein humanoider Roboter, und heiße Puzzles. Ich komme aus Poppelsdorf, aus dem Robots-Lab der Uni Bonn.“ Puzzles sieht eigentlich aus wie ein kleiner Mensch.

    Kruse: Circa 60 Zentimeter groß und er hat schöne Knopfaugen, abgerundete Formen, ist ausgestattet mit Richtmikrofon, Lautsprecher und auch 2D-Kameras und er wirkt irgendwie sehr niedlich, wie so ein Freund der Familie. Daher wird er eingesetzt, zum Beispiel in Gesundheitszentren, um zu informieren, zu begrüßen, aber auch im Bildungsbereich und im Rahmen eines internationalen Projektes ist zum Beispiel geschaut worden, inwieweit der NAO-Roboter Kinder im Vorschulalter beim Erwerb einer Zweitsprache helfen kann. Das Projekt hieß El Tutor, „El Tu“ für Second Language und „Tutor“ Hauslehrer. Und die Uni Bielefeld war an diesem Projekt beteiligt und hat von 2016 bis 2018 an verschiedenen Kindertagesstätten diesen Roboter eingesetzt. Und das Ergebnis war, dass Kinder sehr fasziniert waren von den Computern, vor allem auch von den Arm- und Handbewegungen und der Roboter sie motivierte und es ihnen einfacher fiel, sich Vokabeln zu merken.

    Rosenplänter: Puzzles kann auch trompeten wie ein Elefant, oder tanzen – vermutlich wird auch das den Kindern sehr viel Spaß gemacht haben. In der Art wird es wohl auch weitergehen mit der Digitalisierung, schätzt Judith Kruse.

    Kruse: Wie die Zukunft sein wird, kann man natürlich nicht sagen. Auch welche Auswirkungen die Digitalisierung haben wird. Aber dass sich Mensch und Roboter, dass sie immer stärker zusammenarbeiten werden und dass Robotik und Automatisierungsmechanismen und -technologien zunehmen werden, davon kann man sicherlich ausgehen. Worin sich Experten aber einig sind, ist, dass Roboter nie den Menschen vollständig ersetzen und ihn auch nicht überflüssig machen werden. Es wird immer Bereiche geben, wo Roboter nicht eingesetzt werden können und die soziale Komponente spielt ja auch noch eine sehr wichtige Rolle.

    Rosenplänter: Bei uns im Haus der Geschichte in Bonn fährt übrigens auch ein Roboter rum, dem Ihr Fragen stellen könnt – Eva heißt der und zu Eva haben wir auch schon eine Zeitgeschichte gemacht. Ist schon relativ lange her, war eine der ersten Folgen, falls Ihr sie mal nachhören wollt. Ansonsten freut es uns sehr, wenn Euch der Podcast gefallen hat. Abonniert ihn gerne, dann erfahrt Ihr auch sofort, wenn es die nächste Folge „Zeitgeschichte(n) – Der Museumspodcast“ gibt. Und es wäre toll, wenn ihr uns weiterempfehlt und Freunden und Familie davon erzählt. Bis zur nächsten Folge, machts gut!

    Roboter: Auf Wiedersehen!


    Meike Rosenplänter, Moderation
    Dr. Judith Kruse, Wissenschaftliche Mitarbeiterin