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Scheiben aus Sicherheitsglas – mehr Sonderausstattung zur Gefahrenabwehr braucht Konrad Adenauers erster Dienstwagen noch nicht. Der Mercedes 300 fährt trotzdem durch Brüssel, London, Moskau (und kommt heil zurück). Und zur Machtdemonstration nutzt der Kanzler: das Nummernschild.Rosenplänter: Es ist wieder Zeit für eine neue Zeitgeschichte – Meike Rosenplänter ist mein Name und wir sprechen heute über Autos. Also, vor allem über ein Auto, das im Haus der Geschichte einen sehr prominenten Platz hat: Im Keller. Okay, klingt nicht prominent, aber wenn Ihr aus der U-Bahn aussteigt und Richtung Haus der Geschichte geht, dann könnt Ihr den Adenauer-Mercedes schon sehen. Der alte Dienstwagen von Konrad Adenauer ist nämlich gemeint, der steht direkt hinter der Eingangstür, neben dem Salonwagen - den haben unter anderem Adenauer und Willy Brandt genutzt. Und das Auto, das ist echt schnieke! Schwarz, mit einem großen, silbernen Kühlergrill, am rechten Kotflügel eine deutsche Flagge festgesteckt, dazu diese Kugel-Scheinwerfer, die fast wie große Knopfaugen aussehen. Insgesamt ist der Wagen recht groß, also so eine richtig anständige Limousine eben. Und dann hat er noch sein Nummernschild: 0-002 steht da drauf. Joa, macht auf jeden Fall was her, das Auto. Ob Adenauer sich den Mercedes auch genau deshalb 1951 als ersten Dienstwagen gekauft hat, das bespreche ich jetzt mit Judith Kruse, sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Stiftung. Hallo Frau Kruse.
Kruse: Hallo Frau Rosenplänter.
Rosenplänter: Zahlen sind ja bei Autos immer unglaublich wichtig. Was konnte der Mercedes 300 denn so?
Kruse: Der Mercedes 300 konnte schon so einiges. Das war ein Sechszylinder, Hubraum von knapp 3000 Kubikzentimeter, 115 PS, also er schaffte es in 18 Sekunden von Null auf Hundert und hatte eine, für damalige Verhältnisse, oder in der damaligen Zeit fast schon utopisch anmutende Höchstgeschwindigkeit von 160 Kilometern.
Rosenplänter: Ist das vergleichbar mit irgendwas, was wir heute haben?
Kruse: Im Vergleich zu heute, also der Dienstwagen von Barack Obama zum Beispiel hat 1000 PS, oder hatte 1000 PS, ist ja schon ein paar Jahre her. Wenn man dann sieht, Adenauer 115 PS ist ja ein Unterschied, aber es liegen natürlich auch einige Jahrzehnte dazwischen. Für die damaligen Verhältnisse war das wirklich ein Top-Auto.
Rosenplänter: Hatte dieses Auto denn auch eine Sonderausstattung?
Kruse: Als das Kanzleramt diesen Wagen im Sommer 1951 bestellt hat, hat es direkt eine Liste mitgeschickt mit 21 Sonderausstattungswünschen: darunter ein Funktelefon, zwei Klapptische links und rechts im Fond, Leselampen, es sollte Leselampen an den Fondtüren geben und – ganz wichtig – eine mechanische Trennscheibe zwischen Fahrerraum und Fahrgastraum. Was noch wichtig war: ein Radio und, damit es dann auch bei offiziellen Anlässen als Fahrzeug des Kanzlers erkennbar war, am rechten vorderen Kotflügel ein Standartenhalter.
Rosenplänter: Das heißt, dieses Auto war was ganz Besonderes?
Kruse: Ein Auto insgesamt war 1951 etwas Besonderes. Deutschland war Anfang der 1950er Jahre noch eine Trümmerwüste, der Wiederaufbau in Ost und West steckte noch in den Anfängen und es war noch nicht absehbar, dass es diesen wirtschaftlichen Aufschwung geben würde. Hauptfortbewegungsmittel war das Fahrrad, ein Auto besaßen nur sehr wenige. Vielleicht eine Zahl dazu: 1949 gab es circa eine halbe Million Personenkraftwagen in der Bundesrepublik bei circa 50 Millionen Einwohnern. 2019 bei 83 Millionen Einwohnern in Deutschland heute circa 47 Millionen. Das heißt damals, also Anfang der 50er Jahre hatten vielleicht mal ein Prozent der Bevölkerung ein Auto.
Rosenplänter: Gab es denn da auch irgendwie Aufläufe, Menschenaufläufe, die sich dieses Auto angeguckt haben, die gestaunt haben?
Kruse: Die haben sicherlich gestaunt, das war wirklich was Besonderes. Das Auto ist ein Repräsentationsfahrzeug und als solches von Adenauer auch bewusst gewählt worden.
Rosenplänter: Heute sind die Dienstwagen von Bundeskanzlern, von Politikern und sonstigen hoch angesehenen Menschen ja immer besonders geschützt. War das das Auto von Adenauer auch?
Kruse: Also es hatte Sicherheitsglas, daraus waren die Scheiben im Fahrerraum und Fahrgastraum, aber ansonsten keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen. Das fängt erst viel später an, also als erster Kanzler hätte Willy Brandt ein gepanzertes Fahrzeug haben können, soweit war die Technik fortgeschritten, er hat darauf verzichtet. Sein Nachfolger, Helmut Schmidt, hat dann den ersten gepanzerten Dienstwagen bekommen. Er musste es machen, weil in den 70er Jahren ja durch den Terror der RAF viele Anschläge verübt wurden und da die Gefahr bestand, dass auch Helmut Schmidt entsprechend gefährdet war.
Rosenplänter: Und das Kennzeichen ist ja auch interessant – 002. Das klingt so ein bisschen nach James Bond.
Kruse: Adenauer war es sehr wichtig, dass das Kennzeichen seines Dienstwagens an zweiter Stelle nach dem des Bundespräsidenten kommt und hat sich deshalb vorgemogelt und diese Zwei bekommen. Eigentlich hätte ihm als Kanzler die Drei zugestanden, weil die protokollarische Ordnung vorsieht; Nummer eins im Staat ist der Bundespräsident, dann kommt der Bundestagspräsident und dann kommt der Bundeskanzler. Adenauer aber war diese Reihenfolge Nummer Zwei sehr wichtig, hat das auch erreicht und so ist es bis heute geblieben, also auch der Dienstwagen der Bundeskanzlerin hat heute die Zwei, die 02.
Rosenplänter: Hat Adenauer dieses Auto denn nur für Fahrten rund um Bonn genutzt?
Kruse: Adenauer hat es zunächst nur für Fahrten rund um Bonn benutzt, aber bald auch täglich für Fahrten von seinem Wohnort in Rhöndorf zum Dienstort im Palais Schaumburg, auch für längere Fahrten in andere deutsche Städte, bis hin zu Fahrten ins Ausland. Er war damit in Brüssel, London und sogar 1955 war der Wagen mit in Moskau dabei.
Rosenplänter: Da ist der ganze Strecke mit dem Auto gefahren?
Kruse: Nein. Adenauer ist geflogen und der Mercedes ist im Sonderzug, also mit der Bahn nach Moskau transportiert worden und Adenauer ist auch mit dem Auto gerne in den Urlaub gefahren und es war so: wenn er dienstlich mit dem Sonderzug unterwegs war, dann reiste der Mercedes in einem Extrawaggon mit. Wenn er aber privat mit dem Zug reiste, dann war der Dienstwagen, stand der neben Privatautos auf den Autowaggons der Bahn, also gliederte sich da bei den anderen Autos ein.
Rosenplänter: Warum wollte er ausgerechnet dieses Auto? Das ist ja schon ziemlich protzig, auffällig, groß! Gerade, wenn die anderen Menschen in Deutschland, die Bürger keine Autos hatten.
Kruse: Ja, Adenauer hatte bei der Wahl seines Dienstwagens nicht nur Sicherheit und Bequemlichkeit im Blick, sondern auch die Symbolkraft eines Dienstwagens. Und er hat schon im Sommer 1951 vor Journalisten gesagt, Deutschland müsse sich zurückhalten und dürfe nicht auffallen, aber man müsse auch eine gewisse Repräsentation betreiben, auch gerade gegenüber anderen. Und die Wahl dieses Mercedes zum Dienstwagen verkörperte einfach diese Einstellung und auch den Machtanspruch des Kanzlers und dieses Fahrzeug war den Fahrzeugen anderer Staatsoberhäupter oder Ministerpräsidenten ebenbürtig.
Rosenplänter: Hat er dieses Gespür für Repräsentation noch an anderer Stelle gezeigt?
Kruse: Ja, Adenauer hat als erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland das Erscheinungsbild der jungen Republik sehr sehr stark geprägt und er zeigte dieses Gespür für Repräsentation auch bereits bei der Wahl des Amtssitzes. Er machte das Palais Schaumburg zum Sitz des Kanzleramtes, das ist ein schlossähnliches Gebäude am Bonner Rheinufer, Mitte des 19. Jahrhundert erbaut, und auch bei der Ausgestaltung des Gebäudes legte er großen Wert auf ein repräsentatives Erscheinungsbild. Also er ließ es ausstatten mit antiken Möbeln, echten Teppichen, in dem Gebäude gabs noch eine alte Holztreppe, tolle Deckenvertäfelungen, alles aus dem 19. Jahrhundert. Das ließ er wiederherstellen, beziehungsweise bestand darauf, dass das so blieb und auch in seinem Arbeitszimmer hatte er Antiquitäten stehen, zum Beispiel eine englische Standuhr aus dem 18. Jahrhundert. Also da hatte er – da war es ihm wichtig, dass auch sein Amtssitz gewisse Repräsentation ausstrahlte.
Rosenplänter: Sie haben eben gesagt, das war nicht normal, dass Bürger, das Deutsche ein Auto hatten so kurz nach dem Krieg. Aber wie sah das denn bei den anderen Ministern im Kabinett Adenauer aus – Hatten die auch alle Autos, beziehungsweise sind die auch alle mit solchen Mercedes rumgefahren?
Kruse: Auch die Minister haben Anspruch auf einen Dienstwagen. Nachdem Adenauer sich aber diesen Mercedes bestellt hatte ließ er seine Minister wissen, dass sie doch davon absehen sollten, sich jetzt auch alle sofort einen 300er zu bestellen. Er begründete das mit, ich zitiere, aus Gründen der demokratischen Optik, und sein Finanzminister hatte sich als erster auch direkt so einen Mercedes 300 bestellt. Und als er dann dieses Rundschreiben las, hat er sich zunächst nicht getraut, den Wagen in Bonn und Umgebung, oder in der Nähe von Bonn zu benutzen, er wohnte in Köln, sondern er hat den Wagen in seiner Privatgarage zunächst versteckt bis einige Zeit vergangen ist und dann hat er ihn auch täglich für seine Fahrten von Köln nach Bonn genutzt. 1951 hat Adenauer den Wagen bestellt, im Sommer 1953 konnte man im Spiegel schon lesen, dass sich so allgemein der Mercedes 300 als Dienstwagen durchgesetzt hatte, also da hatten den Wagen schon mehrere, unter anderem auch Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, oder auch der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer.
Rosenplänter: Und dann wird Adenauer ja auch irgendwann einen neuen Dienstwagen bekommen haben, oder?
Kruse: Ja, im Mai 1956 hat Adenauer einen neuen Dienstwagen bekommen und der alte Dienstwagen, der wanderte zunächst in die Fahrbereitschaft von Kanzleramt und Auswärtigem Amt und drei Jahre später, 1959, wurde er dann versteigert und ein Bonner Beamter hat diesen Wagen ersteigert für knapp 1.500 D-Mark. Muss man ja fast sagen ein Schnäppchen, denn gekostet hat er seinerzeit 1951 knapp 20.000 D-Mark.
Rosenplänter: Wow.
Kruse: Jetzt hatte der natürlich schon etliche Kilometer, also gut 150.000 Kilometer auf dem Buckel, ja und der Beamte hat ihn dann bis 1971 als Familienauto genutzt. Dann hat er zunächst noch einen anderen Käufer in Deutschland gefunden, ist dann aber Ende 1971 in die USA verkauft worden und 1987 hat das Haus der Geschichte den Adenauer-Mercedes in den USA aufgespürt und nach längeren Verhandlungen ist es dann gelungen, ihn wieder zu kaufen und 1989 ist er dann wieder zurückgekommen nach Deutschland, 1993 in das Haus der Geschichte und seit der Eröffnung des Hauses 1994 steht es in der Dauerausstellung des Hauses.
Rosenplänter: Und hat ja zwischendurch auch mal den Platz gewechselt.
Kruse: Hat zwischendurch mal den Platz gewechselt, genau. Zunächst stand es in der Dauerausstellung in der zweiten Ebene, wo es um die Anfänge der Bundesrepublik geht und jetzt steht er unten im Eingangsbereich U-Bahn, sodass jeder Besucher, der das Haus direkt vom Dienstwagen, ehemaligen Dienstwagen des Kanzlers empfangen wird.
Rosenplänter: Dankeschön Ihnen, Frau Kruse, für die Informationen.
Kruse: Sehr gerne.
Rosenplänter: Übrigens, vor ein paar Jahren wurde auch nochmal ein anderer von Adenauers Dienstwagen privat verkauft – falls Ihr also eventuell Bedarf habt und das nötige Kleingeld natürlich, es gibt noch ein paar. Die Nummer Eins bleibt aber auf jeden Fall im Haus der Geschichte und da könnt Ihr sie Euch jederzeit anschauen. Im nächsten Podcast geht es um eine furchtbare und brutale Zeitgeschichte, nämlich um die Terroranschläge vom 11. September 2001. Das gehört halt auch zu unserer deutsch-deutschen Geschichte, selbst wenn es in den USA passiert ist. Das also das nächste Mal, machts gut.
Meike Rosenplänter, Moderation
Judith Kruse, wissenschaftliche Mitarbeiterin
1951 - Im Dienst Adenauers